Ehrenamtliche im Hospizdienst: Was wir geben, erhalten wir vielfach zurück

Mon, 27 Nov 2023 10:17:36 +0000 von Bettina Sangerhausen

© B. Sangerhausen
Brigitte und Jörn Tegtmeyer, Johanna Goldbach (von links).
Sie befassen sich freiwillig mit einem Thema, das die meisten lieber ausklammern, solange sie können. Sie setzen sich mit Situationen auseinander, aus denen andere lieber fliehen würden: Die Sterbebegleiter*innen beim ambulanten Hospizdienst Alpha in Hann. Münden. Ihre selbstgewählte Aufgabe ist anspruchsvoll, und doch empfinden die Aktiven sie nicht als Last, sondern als Bereicherung. Brigitte und Jörn Tegtmeyer und Johanna Goldbach sind seit rund 20 Jahren in diesem Ehrenamt aktiv. Ihr Anliegen: Sterbenden und Trauernden ihre Situation zu erleichtern, Leid zu lindern und zu lösen. Inzwischen alle 80 Jahre und drüber, möchten sie jüngere Menschen motivieren, sich auf dieses facettenreiche Ehrenamt einzulassen. 
Als Brigitte und Jörn Tegtmeyer, Lehrerin und Kirchenmusiker, gleichzeitig in den Ruhestand gingen, hatten sie nach einer gemeinsamen ehrenamtlichen Beschäftigung gesucht und diese in der Hospizarbeit gefunden, erzählen sie. Zuerst beim früheren Hospizdienst Omega sind sie nun seit 2006 bei Alpha aktiv. Jede Begleitung sei anders und besonders. Mitunter seien es eher die Angehörigen, die Unterstützung brauchten, gar nicht so sehr der Sterbende selbst, sagt Jörn Tegtmeyer. Bei einem Sterbenden zu sitzen, bedeute auch, dass man den Angehörigen Zeit verschaffe, mal etwas abzuschalten. 
Nachdem sie über drei Jahrzehnte mit Jugendlichen gearbeitet hatte, wollte sie sich den alten Menschen zuwenden, sagt Brigitte Tegtmeyer, zumal sie „wusste von der unglaublichen Einsamkeit des Alters, gerade, wenn noch Krankheiten dazu kommen.“ Nicht immer sei einem jede*r gleich sympathisch, so Jörn Tegtmeyer, aber je besser man einen Menschen kennenlerne, desto mehr Sympathie wachse. Was man dann an Biografien kennenlerne, sei enorm spannend. 
Johanna Goldbach hat bereits als Ärztin in Botswana Sterbende begleitet, darunter viele junge AIDS-kranke Menschen, „das war schlimm“. Mit Ihrer Ankunft in Hann. Münden hat sie im Ruhestand praktisch direkt da weitergemacht, wo sie beruflich aufhörte, später noch zusätzlich einen Kurs in Kinderhospizarbeit absolviert. Das Wiedereingewöhnen in Deutschland erleichterte ihr eine Alpha-Mitarbeiterin, ebenfalls Ärztin, bei der sie später im Krankenhaus am Sterbebett saß. 
Wichtig sei, dass man zuhören könne und versuche, sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen. Das falle Frauen vielleicht leichter als Männern, meint Jörn Tegtmeyer lächelnd, und sei für ihn eine wichtige Erfahrung gewesen: „Männer, die begleiten, gewinnen eine weibliche Komponente hinzu.“

Die Kraft der Musik

 Manche Menschen, „die wir begleiten dürfen“, seien gar nicht mehr ansprechbar, berichten die Drei. Wo Worte nichts mehr ausrichten können, helfe oft Musik. Brigitte Tegtmeyer erinnert sich an eine Frau, die „wie versteinert“ war und nicht mehr sprach, nachdem sie einen Angehörigen verloren hatte. Alle Versuche, ihre Aufmerksamkeit zu erlangen und den Blick auf etwas Positives zu lenken, scheiterten. Schließlich habe sie auf ihrer Violine so innig sie konnte „Der Mond ist aufgegangen“ gespielt, mit geschlossenen Augen und ganz konzentriert. Als sie die Frau wieder anblickte, hatte diese Tränen in den Augen und flüsterte das Wörtchen „schön!“. Es war der erste Schritt, zur Sprache zurückzufinden.Johanna Goldbach berichtet, wie ein Sterbender sich öfters das Lied „Allein Gott in der Höh´ sei Ehr´“ gewünscht hatte und schließlich beim Singen dieses Liedes friedlich ging. Demente Menschen erinnerten sich oft noch an Lieder ihrer Kindheit, die ihnen ein Gefühl von Geborgenheit vermittelten. Und auch kleine Konzerte im stationären Hospiz von Jörn und Brigitte Tegtmeyer halfen schon, Augenblicke der Entspannung und des Loslassens herbeizuführen. Andere beruhige auch eine leichte Berührung oder einfach die Gewissheit, nicht allein zu sein. 

Über Jahre wächst Vertrauen

Ein sehr positiver Punkt am Hospiz-Ehrenamt bei Alpha sei die Kontinuität, beschreibt es Brigitte Tegtmeyer und die anderen pflichten ihr bei: die Begleitung beginnt meist zu Hause und kann sich in Klinik und Palliativstation bis ins stationäre Hospiz fortsetzen, sodass man als Vertrauensperson erhalten bleibt. Wo die Sterbebegleitung aufhört, beginnt die Trauerarbeit mit den Angehörigen. Auch dafür ist Alpha mit seinen Haupt- und Ehrenamtlichen da. 
Die Fortbildungen, mit denen der Hospizdienst seine Helfer*innen auf ihre Aufgaben vorbereitet, seien ausgezeichnet. Bei Treffen mit anderen Hospizgruppen aus Südniedersachsen findet ein reger Austausch statt. Was man in diesem Ehrenamt gibt, das bekomme man vielfach zurück, da sind sich alle einig. Sie wünschen sich, dass sich weitere Ehrenamtliche für Alpha finden. Das müssten auch nicht nur Ruheständler sein, einige Gruppentreffen seien bereits vorsorglich auf abends verlegt, damit auch die Berufstätigen teilnehmen können. Einen neuen Vorbereitungskurs bietet Alpha im Januar 2024 an, Interessierte können sich bis zum 20. Dezember 2023 anmelden. 
Hintergrund:
Der ambulante Hospizdienst Alpha in Hann. Münden, Begleitung Schwerstkranker und Sterbender, Trauerbegleitung und ambulante Kinderhospizarbeit, ist eine Einrichtung des Evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Göttingen-Münden. Das Büro mit den hauptamtlichen Koordinatorinnen Eva Maschinski und Johanna Meyer befindet sich im Corvinushaus, Ziegelstraße 16, Hann. Münden, 3. Etage.  
Kontakt: 
Eva Maschinski , Tel.: 0551 38905 468; Johanna Meyer, Tel.: 0551 38905 469
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