Ehrenamtliche im Hospizdienst: Sie sind da, wenn der Tod naht

Tue, 09 Mar 2021 11:34:57 +0000 von Ralf Heinemann

© Bettina Sangerhausen
„Viele Menschen haben richtig Angst, wenn sie im Sterbeprozess sind“, sagt Monika Meyer. Mit dieser Angst nicht allein sein zu müssen, das helfe ihnen oft schon sehr. Damit Sterbende nicht allein sind, dafür sorgen die Ehrenamtlichen von Alpha, ambulanter Hospizdienst des Evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Münden. Drei von ihnen tun dies inzwischen seit 20 Jahren: Monika Meyer sowie das Ehepaar Christa und Manfred Herbst. 
Bei jedem ihrer Einsätze sind sie mittendrin in fremden Schicksalen, erleben Leid und Leiden hautnah mit. Sie begleiten Sterbende in deren Zuhause, aber auch im Pflegeheim oder im Hospiz, gehen womöglich all diese Stationen mit ihnen mit, und sind dann auch für die Angehörigen da. Sie sind dann diejenigen, die man einfach mal fragen kann in einer ungewohnten, beunruhigenden Situation, in die die Helfer dann etwas Ruhe bringen können.

Von berührenden Erlebnissen wissen sie alle zu berichten. Da war zum Beispiel eine Frau, erzählt Christa Herbst, die nicht mehr ansprechbar war und vor Berührungen zurückschreckte. „Da habe ich dann am Bett gesessen und alle Weihnachtslieder gesungen, die ich kannte.“ Immer wieder aufs Neue müsse man herausfinden, was passt, sagt Eva Maschinski, die zusammen mit Elke Helberg Alpha koordiniert. Bei der einen haben Weihnachtslieder eine beruhigende Wirkung, bei einem anderen wären die vielleicht gerade fehl am Platze, weil er mit ihnen schlechte Erinnerungen verbinde. Man müsse schon ein bisschen kreativ sein, ergänzt Monika Meyer.

Besonders nah ging Manfred Herbst, als er einen Freund, der einst selbst bei Alpha mitgearbeitet hatte, begleitete. Der Freund war überzeugt, jetzt zu Gott zu gehen und dort auch all seine Lieben wiederzutreffen, berichtet Manfred Herbst. Er sei bisher der Einzige gewesen, bei dem er direkt im Moment des Sterbens dabei gewesen sei. Ein Foto von ihm und seinem Freund aus glücklichen Tagen stehe heute auf seinem Nachtspind.

Es ist für die Ehrenamtlichen ein ständiger Balanceakt zwischen Emotionen und einer gewissen professionellen Distanz. Man dürfe das Erlebte nicht mit nach Hause nehmen, sagen sie und geben zu, dass das nicht immer einfach sei. „Je älter ich werde, desto mehr sehe ich mich dabei. Wird für mich auch jemand da sein, wenn ich sterbe?“ sagt Manfred Herbst. Hilfreich sei hier die Supervision, wo man sich in kleiner Gesprächsrunde öffnen und sehr persönlich über das Erlebte sprechen kann, beschreiben es die Ehrenamtlichen. Überhaupt sei bei Alpha immer jemand da, mit dem man reden kann. 

Die Sterbebegleiter werden in einem Kurs geschult, bevor sie ihr Amt antreten. Im Seminarbuch gebe es ein Bild, das die Situation treffend beschreibe, sagt Christa Herbst: „Darauf sind zwei Boote, in einem sitzt der Hilfesuchende, im anderen der Helfer. Sie fahren nebeneinander her. Wir steigen nicht in das Boot des Hilfesuchenden ein, dann würde es kentern. Wir fahren nebenher, wir begleiten.“ Sie habe gelernt zu unterscheiden, „was zu mir gehört und was zu den anderen“, beschreibt es Christa Herbst. Man müsse die Aufgabe wie eine Arbeitsstelle sehen, von der man sich auch keine Arbeit mit nach Hause bringe, formuliert es Monika Meyer. Sie begleitet, gemeinsam mit andere Ehrenamtlichen, seit mehreren Jahren auch das Trauercafé.

In Vergessenheit geraten die Begegnungen dadurch indes nicht. Einmal gefragt, sprudeln die bewegenden Momente nur so aus den Ehrenamtlichen heraus. Sie habe eine alte Dame in deren Zuhause begleitet, erzählt Christa Herbst. Eines Tages sagten die Angehörigen ihr, sie brauche morgen nicht mehr zu kommen, man habe nun einen Platz im Pflegeheim bekommen. Die Sterbende hörte das mit und bestätigte:  Es sei richtig, sie brauche nun nicht mehr zu kommen. In der Nacht darauf sei sie verstorben.

Ein Transfer ins Heim oder Krankenhaus, von den Angehörigen eingeleitet, um etwas zu tun, um das Richtige zu tun, sei nicht immer sinnvoll, bestätigt Monika Meyer. Das könne für Menschen in ihrer letzten Lebensphase eine schreckliche Vorstellung sein.  Mit dem Arzt abgestimmt lautet der Rat dann auch mitunter: Lieber den Menschen in Ruhe zu Hause sterben lassen, anstatt ihn noch in eine fremde Umgebung zu transportieren.

In 20 Jahren kommen viele solcher persönlicher Geschichten zusammen – traurige und anrührende, aber auch nette Begebenheiten. Über ein Dankeschön an den Hospizdienst in einer Todesanzeige habe er sich richtig gefreut, sagt Manfred Herbst und es wird deutlich:  Die Helferinnen und Helfer können mit ihrer Arbeit den Tod nicht aufhalten. Aber sie versuchen, dazu beizutragen, dass die letzten Schritte etwas leichter werden. Wenn sie merken, dass ihnen das gelungen ist, gibt ihnen das viel zurück. Mehr über Alpha gibt es auf https://beratungsstelle-alpha.org/
Quelle: Bettina Sangerhausen
v.l.: Elke Helberg, Eva Maschinski, Manfred Herbst, Monika Meyer und Christa Herbst.
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